[Originale aus dem Nachlass von Stanley Kubrick.
Aus den Grauwerten von Polaroids errechneten Stanley Kubrick und Kameramann
Geoffrey Unsworth die Belichtungseinstellungen für die Aufnahmen zu 2001: A
SPACE ODYSSEY.]
Update
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Newsletter No. 14, Februar 2005
Liebe Kollegen, Freunde und Interessierte,
nach drei bereits sehr erfolgreichen Wochen Kubrick-Ausstellung im
¬ Martin-Gropius-Bau steht Berlin demnächst noch
verstärkt im Zeichen des großen Regisseurs: Anlässlich der Kooperation mit der
¬ Berlinale und dem
¬ Filmmuseum Berlin
gibt es in diesem Monat eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Vorträgen – und vor allem auch endlich wieder eine
Möglichkeit, Kubricks Filme im Kino zu sehen. Die Retrospektive der 55. Internationalen Filmfestspiele (10.-20.02.2005)
ist dem übergreifenden Thema Production Design gewidmet und zeigt dazu eine Reihe unterschiedlichster Einzelfilme.
Stanley Kubrick allerdings wird in diesem Rahmen eine Sonderstellung eingeräumt. Sein gesamtes Werk ist in das Programm
integriert, in jeweiliger Zuordnung zu den fünf Rubriken der Retrospektive: „Interiors“ (LOLITA, EYES WIDE SHUT),
„Transit“ (THE KILLING), „Macht“ (SPARTACUS, DR. STRANGELOVE, FULL METAL JACKET), „Bühne” (A CLOCKWORK ORANGE, BARRY LYNDON)
und „Labyrinth” (KILLER’S KISS, PATHS OF GLORY, THE SHINING). 2001: A SPACE ODYSSEY wird als Retrospektive Special in
der 70-mm-Kopie gezeigt.
Auch die begleitende Ausstellung „Moving Spaces. Production Design und Film“ im Filmmuseum Berlin,
die am Vorabend der Berlinale eröffnet, präsentiert aufgrund der Kooperation mit dem Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main
einzelne Exponate aus dem Kubrick-Nachlass. Umgekehrt wollen wir die aktuelle Ausgabe unseres Kubrick-Newsletters dem Aspekt
Production Design widmen. Wenngleich alle Komponenten in Kubricks Filmen – ob Kameraführung, Montage oder Musik – von derselben
Wichtigkeit und selben Perfektion zu sein scheinen, hat man dem Regisseur doch immer eine besondere Beziehung zur
Raumgestaltung, zu Architektur und Design attestiert. Kubrick und seine Production Designer haben Welten kreiert, die
ebenso detail- und authentizitätsversessen wie fantastisch und visionär anmuten und als solche in die Filmgeschichte eingingen.
1. Objekt des Monats: die Djinn Chairs
Den wohl aufwändigsten Ausstattungsprozess betrieb Kubrick bei 2001: A SPACE ODYSSEY. Für das Production Design allein
stehen drei Namen: Antony Masters, Harry Lange und Ernest Archer. Darüber hinaus beschäftigte Kubrick im Laufe der fast
vierjährigen Entstehungszeit ein umfangreiches Art Departement und zahllose Spezialisten. Von Wissenschaftlern und
Produktentwicklern großer Firmen ließ er sich beraten, wie die Welt im Jahr 2001 aussehen könnte (ausführliche Hintergründe
hierzu sind in zwei Beiträgen unseres
¬ Ausstellungskatalogs nachzulesen: „Designing the Future“ von Volker Fischer und
„Branding 2001“ von Bernd Eichhorn). Für die Realisation wurden Elemente progressiven zeitgenössischen Designs aufgegriffen
und in die Zukunft projiziert. Ein schönes Beispiel sind die so genannten Djinn Chairs – heute ein noch immer aktueller
Klassiker der Design-Geschichte. Die funktionale und doch verspielte Sitzmöbel-Serie aus schaumstoffgepolstertem
Stahlrohrgestell wurde 1965 von dem Franzosen Olivier Mourgue entworfen und trägt ihren Namen von dienstbaren Geistern
aus der arabischen Mythologie, die menschliche oder tierische Gestalt annehmen können. Durch ihre weich gerundeten,
biomorphen Formen erinnern die Sessel tatsächlich an Lebewesen und verkörperten damals einen neuen, futuristisch anmutenden
Look.
(Foto: Kubrick mit seiner Polaroidkamera am Set von 2001: A SPACE ODYSSEY)
In 2001: A SPACE ODYSSEY bestimmen sie die Szenerie in der Lounge der Space Station Five, wo Dr. Floyd auf dem Weg
zum Mond mit einigen anderen Weltraumpassagieren zusammentrifft. Die originalen Filmrequisiten sind nicht mehr erhalten,
doch es existieren mehrere Sammlerstücke. Für die Kubrick-Ausstellung stehen durch eine Leihgabe der
¬ POPDOM Collection
Siekmann Köln zwei Djinn Chairs (darunter ein Doppelsitzer) zur Verfügung. Die ursprünglich grünbraunen
Exemplare wurden eigens neu bezogen, wobei ein nicht ganz einfach zu lösendes Problem auftrat – die exakte Farbe des
Bezugsstoffes, die je nach Beleuchtung stark variiert. Die in Kubricks Film eher rot wirkenden Sessel waren tatsächlich
in einem fast pinken Magenta-Ton gehalten. Der Sammler Dennis Gilliam, ebenfalls Leihgeber für den Ausstellungsbereich
zu 2001: A SPACE ODYSSEY, berichtet von vergleichbaren Anstrengungen bei der Restaurierung seiner Exemplare, die er auf
seiner
¬ Website ausführlich mit Bildern dokumentiert.
2. Kurzporträt: Kubricks Production Designer
In den rund fünfzig Schaffensjahren, auf die sich Kubricks Filme verteilen, waren für das Production Design viele
unterschiedliche Personen verantwortlich. Sein Frühwerk THE KILLING wurde noch von seiner damaligen Frau, der in
Avantgarde-Künstlerkreisen heimischen Tänzerin Ruth Sobotka ausgestattet. Während der folgenden zehn Filme engagierte
Kubrick immer wieder neue Designer, oft nur für eine einzelne Produktion. Hervorgehoben sei seine Arbeit mit John Barry,
der ursprünglich für das Napoleon-Projekt vorgesehen war und dann A CLOCKWORK ORANGE übernahm. Der spätere Designer von
STAR WARS (1977) und SUPERMAN (1978), nicht zu verwechseln mit dem berühmten Filmkomponisten, war damals noch relativ
unbekannt. Für die Adaption von Burgess’ Roman wälzte Barry mit Kubrick Jahrgänge von Architekturzeitschriften; seine
grell-bizarren Interieurs machen einen wesentlichen Teil der nachhaltigen Wirkung von A CLOCKWORK ORANGE aus. Danach
arbeitete Kubrick mehrfach mit Roy Walker und Les Tomkins zusammen. Walker war zunächst Art Director bei BARRY LYNDON
und entwarf dann als Production Designer die labyrinthische Hotelwelt von THE SHINING. Les Tomkins war bei THE SHINING
und FULL METAL JACKET Art Director und übernahm schließlich gemeinsam mit Walker das Production Design für Kubricks
letzten Film EYES WIDE SHUT.
Die jedoch bekannteste und wohl auch intensivste Zusammenarbeit verband Kubrick mit Ken Adam, den wir nach häufigen
Erwähnungen in vorangegangenen Newslettern hier noch einmal porträtieren wollen. Nicht ohne Grund war er im
Zusammenhang mit der Kubrick-Ausstellung immer wieder präsent, denn indirekt ist das Projekt durch ihn zustande
gekommen (2002 im Rahmen der ihm gewidmeten Ausstellung „Visionäre Filmwelten – Dr. Strangelove, Goldfinger und
andere Filmsets“ im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main traf Kurator Hans-Peter Reichmann auf Christiane
Kubrick und Jan Harlan, die bei einer Vorführung von DR. STRANGELOVE zu Gast waren). Der legendäre britische
Filmarchitekt wurde 1921 als Klaus Hugo Adam in Berlin geboren und flüchtete 1934 als dreizehnjähriger Junge mit
seiner Familie vor dem NS-Regime nach London; während des Zweiten Weltkriegs flog er als einziger deutscher Pilot
in der Royal Air Force. An der Bartlett School studierte er Architektur, aus Deutschland blieb ihm stets die Vorliebe
für den Expressionismus der Weimarer Zeit. Zum Film fand er zunächst als Zeichner und als Art Director für Produktionen
wie AROUND THE WORLD IN 80 DAYS (1956), als Production Designer wurde er unsterblich vor allem durch seine Entwürfe für
sieben Bond-Filme, darunter DR. NO (1962), GOLDFINGER (1964), THE SPY WHO LOVED ME (1977) und MOONRAKER (1979).
Für Stanley Kubrick schuf er die groteske Topographie von DR. STRANGELOVE OR: HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB;
zu einer erneuten Zusammenarbeit kam es bei BARRY LYNDON, dem intensivste Recherchen über das 18. Jahrhundert vorausgingen
und für den Adam mit einem Academy Award ausgezeichnet wurde (1994 erhielt er einen zweiten Oscar für THE MADNESS OF KING
GEORGE, ebenfalls ein Historienfilm). 2001 wurde Ken Adam von der Queen zum Ritter geschlagen und heißt seitdem korrekt
„Sir Kenneth Adam“. Er lebt mit seiner Frau Lady Letizia in London, kehrt aber häufig nach Berlin zurück – auf der Berlinale
ist er gerade in jüngster Zeit ein beliebter Gast: Beim ersten und zweiten Talent Campus 2003 / 2004 übernahm er
Patenschaften, und auch dieses Jahr ist er anlässlich des Themas Production Design selbstverständlich wieder vor Ort
(Ken Adam: Film Sets are Forever. Haus der Kulturen der Welt, 14.02. um 17.00 Uhr.). Zu seiner Arbeit mit Kubrick
befinden sich zwei weitere Beiträge in unserem Ausstellungskatalog: Boris Hars-Tschachotins Text „Raumgewordene
Supermachtparanoia“ über das Design des War Room sowie ein ausführliches Interview mit Ken Adam über DR. STRANGELOVE und
BARRY LYNDON, das Sie in Auszügen auch auf unserer Website nachlesen können.
(Foto: Entwurfsskizze für den War Room, © Ken Adam)
3. Tipps und Termine rund um die Berlinale
Wir möchten Ihnen hier einen kurzen Einblick in das Film- und Veranstaltungsprogramm zu Stanley Kubrick geben; darüber
hinaus haben wir alle relevanten Termine und Adressen in einem
¬ pdf-Dokument zusammengestellt.
Die Ausstellung Stanley Kubrick im
¬ Martin-Gropius-Bau hat während der Berlinale verlängerte Öffnungszeiten und ist
täglich von 10.00-21.00 Uhr zugänglich. Täglich um 17:00 Uhr läuft im Kino des MGBs Jan Harlans STANLEY KUBRICK: A LIFE IN PICTURES.
Die Filme Kubricks können Sie während der
¬ Berlinale vom 10. bis 20. Februar im CinemaxX und im Zeughauskino sehen,
eine Vorführung von 2001: A SPACE ODYSSEY findet in der Urania statt. Im Anschluss an die Berlinale wiederholt das
¬ Zeughauskino bis zum 6. März alle Filme noch einmal und zeigt zusätzlich Jan Harlans STANLEY KUBRICK: A LIFE IN PICTURES.
Die Ausstellung „Moving Spaces. Production Design und Film“ im Filmmuseum Berlin eröffnet am 9. Februar um 19 Uhr
und ist dort bis zum 19. Juni zu sehen.
Zwei Veranstaltungen, die sich zeitlich leider überschneiden, möchten wir Ihnen trotzdem beide ans Herz legen:
Am 16. Februar um 17.30 Uhr in der
¬ Urania werden unter dem Titel „Stanley Kubrick unseen“ von unseren Katalogautoren
Eva-Maria Magel und Ronny Loewy Kubricks nicht realisierte Projekte „Aryan Papers“ und „Napoleon“ vorgestellt. Im
¬ Filmmuseum Berlin treffen sich um 18 Uhr unter dem Titel „Stanley Kubrick: Creating a World“ Christiane Kubrick und
Jan Harlan zu einem Gespräch mit dem französischen Filmkritiker Michel Ciment, der im letzten Jahr bereits Gast des
Kubrick-Symposiums am Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main war.
Drei Wochen nach der Berlinale, am 5. März von 14 bis 18 Uhr, findet anlässlich der beiden Ausstellungen in Kooperation
mit dem
¬ Einstein-Forum der Workshop „Moving Spaces - Aspekte des Labyrinthischen“ statt, an dem unter anderem Jan Harlan,
der Setdesigner Alex McDowell und der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann (Beitrag zu EYES WIDE SHUT im Ausstellungskatalog)
teilnehmen.
Eine Medienkooperation, über die wir uns sehr freuen: Die Berliner
¬ Yorck-Kinos
präsentieren während der nächsten Wochen in
mehreren wichtigen Filmtheatern (International, Filmtheater am Friedrichshain, Capitol Dahlem, Yorck NewYorck, Babylon und Odeon)
einen Trailer, den Bibo TV zur Kubrick-Ausstellung produzierte.
Am Vortag der Berlinale wird Anke Engelke im
¬ ARD Morgenmagazin live aus der Kubrick-Ausstellung berichten. Zwischen dem 11.
und 18. Februar werden außerdem einige Kubrick-Filme auf
¬ RBB und
¬ 3sat ausgestrahlt,
das
¬ ZDF zeigt
zusätzlich am 5. März 2001: A SPACE ODYSSEY.
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