[Originale aus dem Nachlass von Stanley Kubrick.
Aus den Grauwerten von Polaroids errechneten Stanley Kubrick und Kameramann
Geoffrey Unsworth die Belichtungseinstellungen für die Aufnahmen zu 2001: A
SPACE ODYSSEY.]
Update
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Newsletter No. 9, Oktober 2004
Liebe Kollegen, Freunde und Interessierte,
die Stanley Kubrick-Ausstellung hat einen festen nächsten Termin: in Berlin im
¬ Martin-Gropius-Bau,
20.01.-11.04. 2005. Und so gibt es nun nach einigen Monaten Pause auch eine Fortsetzung des
ausführlichen Kubrick-Newsletters. An dieser Stelle wollen wir Sie, die Abonnenten, um Feedback
bitten. Was gefällt Ihnen gut am Newsletter, was weniger? Welche Informationen fanden Sie besonders
aufschlussreich, was würden Sie noch gerne über Kubrick und das Ausstellungsprojekt lesen? Bitte
benutzen Sie für Ihre Anmerkungen unser
¬ Formular. Auf zahlreiche Antworten freuen wir uns
und verlosen unter den Einsendern ein Exemplar des Ausstellungskatalogs und zwei Postkartensets
mit Kubrick-Motiven. Dankeschön!
In der ersten Neuausgabe wollen wir noch einmal zu den filmischen Anfängen Kubricks zurückkehren,
die neben den populären Titeln wie 2001: A SPACE ODYSSEY häufig zu kurz kommen. Die drei Dokumentarfilme
DAY OF THE FIGHT, FLYING PADRE und THE SEAFARERS, die Kubrick im Anschluss an seine frühe
Karriere als Look-Fotograf drehte, sind sehr selten zu sehen (zuletzt in der umfangreichen
Begleitreihe zur Frankfurter Ausstellung), und der allererste Spielfilm FEAR AND DESIRE wird
auf seinen eigenen Wunsch hin überhaupt nicht mehr öffentlich gezeigt. Zu sehen gibt es nach
wie vor KILLER’S KISS und THE KILLING – doch im Vergleich zu den nachfolgenden Kubrick-Filmen
seit PATHS OF GLORY oder spätestens LOLITA, die nahezu jedem vertraut sind, blieben sie relativ
unbekannt. Dabei sind sie historisch, filmsprachlich wie visuell bereits hochinteressant und
gelten nach Ansicht mancher Kritiker als späte Meisterwerke des Film Noir. Die
Frankfurter
Rundschau schrieb anlässlich der Retrospektive im Deutschen Filmmuseum: „Wenn Sie denken, Quentin
Tarantino hätte das Erzählen mit überlagernden Zeitebenen, Vor- und Rückblenden im Kino erfunden,
dann sehen sie sich doch heute Stanley Kubricks ‚The Killing’ aus dem Jahr 1956 an. Ein Lehrstück
in Inszenierung, Fotografie und Regiekunst.“
1. Objekt des Monats: die Eyemo
Ein wichtiges Kennzeichen des Regisseurs Kubricks war sein innovativer und variationsreicher
Umgang mit Kameras und Objektiven, der seiner Herkunft aus der Fotografie entstammt und sein
ganzes Schaffen durchzieht. Eine sehr spezielle Kamera, die zu Beginn seiner Filmkarriere zum
Einsatz kam, ist die Eyemo von Bell & Howell. Sie wird durch ein von Hand aufziehbares Federwerk
betrieben und fasst nur 30 Meter Filmmaterial für etwa eine Minute, ist aber besonders kompakt und
robust gebaut. Das machten sich seit den 1930er Jahren vor allem Kriegsberichterstatter und
Dokumentarfilmer zu Nutze, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten mussten. Die Eyemo gehörte
zur Ausstattung von Wochenschau-Produktionen und wurde im Zweiten Weltkrieg auch von der US-Armee
eingesetzt. Kubrick verwendete sie bei seinen drei Dokumentarfilmen, aber auch bei KILLER‘S KISS –
für die dynamischen Aufnahmen des Boxkampfes. In eben dieser Szene knüpfte er an seine erste
Kurzdokumentation DAY OF THE FIGHT an, deren Höhepunkt Walter Cartiers Kampf gegen Bobby James ist.
Wie Bernd Kiefer in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog erläutert, verließ Kubrick bereits hier
das Prinzip des rein Dokumentarischen und drehte eine besonders prägnante Einstellung aus direkter
Untersicht vom Boden des Boxringes aus nach.
2. Kurzporträt: James B. Harris
KILLER’S KISS ist der Film, der Kubrick mit dem Produzenten James B. Harris zusammenbrachte – er
begründete die gemeinsame Arbeit an drei Filmen und darüber hinaus eine lebenslange Freundschaft.
Harris hatte sich zunächst wie Kubrick als Jazzdrummer versucht und verbrachte ein Jahr an der
Juilliard School of Music, bevor er beim Filmverleih Realart arbeitete und eine Karriere als
Produzent anstrebte. Bei der Armee traf er auf Kubricks Schulfreund Alexander Singer, der mit
Harris einen Kurzfilm drehte und schließlich den Kontakt zu Kubrick herstellte. Kubrick lud Harris
zu einer Voraufführung von KILLER’S KISS ein – der schlug ihm daraufhin, tief beeindruckt von
Kubricks zweiter Eigenproduktion, die Zusammenarbeit vor. Er erwarb die Rechte an dem Roman
Clean
Break von Lionel White, aus dem die erste Produktion von Harris-Kubrick Pictures entstand: THE KILLING.
Die beiden konnten Sterling Hayden (THE ASPHALT JUNGLE) als Hauptdarsteller sowie Lucien Ballard als
Kameramann gewinnen und United Artists von einer Beteiligung überzeugen, während Harris zugleich eine
große Menge Eigenkapital investierte. Gegen alle Einwände hielten sie, trotz eines zwischenzeitlichen
chronologischen Umschnitts, an der verschachtelten Rückblendenstruktur des Films fest und begründeten
damit seinen nachhaltigen Rang.
Bei ihrem nächsten Film PATHS OF GLORY, der Kubrick den endgültigen internationalen Durchbruch
verschaffte, kam Kirk Douglas ins Spiel. Er brachte das Projekt maßgeblich voran, verpflichtete
Harris und Kubrick aber zu einem Deal mit seiner eigenen Firma Bryna Productions. Douglas holte
Kubrick schließlich als Regisseur zu SPARTACUS, der die Zusammenarbeit mit Harris unterbrach. Die
beiden produzierten jedoch noch einmal gemeinsam: Die kontroverse Nabokov-Adaption LOLITA war
Kubricks Befreiungsschlag nach den Erfahrungen mit der „Auftragsproduktion“ SPARTACUS. Danach
trennten sich die Wege. Kubrick siedelte endgültig nach England über, wo er schon LOLITA gedreht
hatte, und begann mit DR. STRANGELOVE. Harris wechselte indes mit THE BEDFORD INCIDENT (1965)
selbst ins Regiefach und drehte als Regisseur später noch SOME CALL IT LOVING (1973), FAST-WALKING (1982),
COP (1988) und zuletzt BOILING POINT (1993).
3. Rückblick: eDIT/VES Festival Honours für Stanley Kubrick
Die eDIT/VES: European Festival for Production and Visual Effects verlieh in diesem Jahr posthum
Festival Honours an Stanley Kubrick – gemeinsam mit dem Production Designer Dante Ferretti, dem
Editor Tom Rolf und dem Kameramann Vilmos Zsigmond. Sie alle stehen nicht nur für herausragend
kreatives Filmhandwerk, sondern auch für den Brückenschlag zwischen Hollywood und europäischem Kino,
den Kubrick in seiner Biografie wie kaum ein anderer verwirklicht hat. Seine Frau Christiane nahm auf
der Eröffnungsgala vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch die Auszeichnung entgegen. In einer
berührenden Rede schilderte sie die schlichten, „handgemachten“ Hilfsmittel, mit denen die
atemberaubenden visuellen Effekte von 2001: A SPACE ODYSSEY erzeugt wurden, zeigte sich aber
zugleich überzeugt, dass der technikbegeisterte wie auch ordnungsfanatische Kubrick liebend gerne
mehr mit Computern gearbeitet hätte – „wäre er älter geworden“. Im Deutschen Filmmuseum weihte sie
eine Vitrineninstallation in der
¬ „Wall of Fame“ ein, mit der Stanley Kubrick auch nach Ende der
Ausstellung einen festen Platz im Haus bekommt. Die Säulenvitrine enthält die sogenannten „Sasco-Cards“:
Karteikarten, die auf große Wandpläne gesteckt werden können, ein Ordnungssystem, das Kubrick und sein
Special Effects Team während 2001: A SPACE ODYSSEY nutzten, um bei den Dreharbeiten für die Weltraumsequenzen
die Übersicht zu behalten.
4. Neu auf der Website
Unter
¬ Presse können Sie nun gesammelte
¬ Zitate aus Berichten und Kritiken zur Frankfurter Stanley
Kubrick-Ausstellung bis Juli 2004 nachlesen – von der
Frankurter Allgemeinen Zeitung bis zur
New York
Times. Ein besonderes Angebot steht Ihnen künftig unter dem Navigationspunkt
¬ Kubrick ausstellen zur Verfügung:
Hier können Sie in
¬ Panoramabildern mit 360° Rundumblick virtuell durch die Ausstellungsräume wandeln, von
12 Startpunkten aus. Die Panoramabilder wurden realisiert in Zusammenarbeit mit Jochen Kratschmer /
¬ www.bestechend.de.
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