[Originale aus dem Nachlass von Stanley Kubrick.
Aus den Grauwerten von Polaroids errechneten Stanley Kubrick und Kameramann Geoffrey Unsworth die Belichtungseinstellungen für die Aufnahmen zu 2001: A SPACE ODYSSEY.]
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Newsletter No. 3, Januar 2004

Liebe Kollegen, Freunde und Interessierte,

Stanley Kubrick war ein in höchstem Maße visuell orientierter Regisseur, für den das Motiv des - weit geöffneten - Auges ikonografisch geworden ist. Seine Wurzeln liegen in der Fotografie, seine Innovationen im Bereich Kameratechnik und Special Effects sind legendär, und kaum ein anderer hat je den Raum vor der Kamera raffinierter inszeniert. Dass die weltweit erste Ausstellung über sein Werk als "interdisziplinäre" Kooperation des Deutschen Filmmuseums und des Deutschen Architektur Museums (DAM) stattfindet, ist Ausdruck des Umstandes, dass es hier um mehr geht als um die bloße Würdigung eines Filmemachers: Die Präsentation will auf Kubricks visionäre Adaption von Einflüssen aus bildender Kunst, Design und Architektur verweisen und den Kosmos eines großen Künstlers des 20. Jahrhunderts räumlich erfahrbar machen, dessen Wirkungskraft die Kinoleinwand zu sprengen scheint.

So stark die visuelle Komponente bei Kubrick im Vordergrund steht, so einzigartig ist zugleich der Stellenwert von Tondesign und vor allem von Musik in seinem Werk. Entsprechend bietet die multimedial angelegte Ausstellung nicht nur viel Stoff für die Augen, sondern auch für die Ohren - ihre akustische Gestaltung wollen wir hier kurz vorstellen. Im Mittelpunkt dieses Newsletters steht einer von Kubricks kontroversesten Filmen: A CLOCKWORK ORANGE, eine brillante Reflexion über die Wirkung von Bildern, in der jedoch auch die Musik eine entscheidende Rolle spielt.

1. Werkstattbericht

Die Ausstellung wird sich über drei Ebenen erstrecken: das Erdgeschoss des Filmmuseums sowie Erdgeschoss und erste Etage des DAM. Auf der oberen Ebene werden die beiden in ihrer Wirkung wohl nachhaltigsten Filme Kubricks, 2001: A SPACE ODYSSEY und A CLOCKWORK ORANGE, präsentiert. Hier ist Raum für eine Gegenüberstellung mit utopischen Architektur-Entwürfen aus der Entstehungszeit der Filme und die Präsentation von originalen Design-Objekten wie die "Djinn"-Sessel von Oliver Mourgue, die Uhr von Hamilton oder das Besteck von Arne Jacobsen. Kubrick recherchierte für die Ausstattung stets bis ins kleinste Detail. Für A CLOCKWORK ORANGE durchforstete er ganze Jahrgänge von Design- und Architekturzeitschriften und projizierte überspitzt die Pop-Art-Ästhetik der Siebziger Jahre in die Zukunft.

Neben originalen und nachgebauten Ausstattungsgegenständen wie den von Allen Jones inspirierten Puppen aus der Korova-Milchbar wird auch die Droog-Montur von Alex (Malcolm McDowell) inklusive Bowler und Sword Cane zu sehen sein; das weiße Oberteil und die weiße Hose mit Hosenträgern und Codpiece werden von der Berliner Theaterkunst nachgeschneidert. Das originale Kostümdesign stammt von der Italienerin Milena Canonero, die anschließend auch an BARRY LYNDON und THE SHINING beteiligt war. Die Autorin Marisa Buovolo widmet sich im Ausstellungskatalog unter dem Titel "Masken der Gewalt" in einer präzisen Analyse der vielschichtigen Sprache von Canoneros Kostümen in A CLOCKWORK ORANGE.

Malcolm McDowell spielt für die Ausstellung eine ganz besondere Rolle: Er wird die internationalen Besucher mit seiner Stimme durch die beiden Museen führen. In Zusammenarbeit mit Linon Medien entsteht ein zweisprachiger Audioguide, der nicht nur Zusatzangebot, sondern integraler Bestandteil der Präsentation ist. Er soll in die Filme einführen, die einzelnen Exponate kommentieren und wird Tondokumente aus dem Nachlass sowie musikalische Passagen enthalten. Den deutschen Part spricht der Schauspieler Jörg Pleva, der Malcolm McDowell als Alex synchronisiert hat (und danach noch zwei weitere Kubrick-Protagonisten: Ryan O'Neal alias BARRY LYNDON und Jack Nicholson alias Jack Torrance aus THE SHINING).

Im Obergeschoss des DAM ist den Filmmusiken Kubricks ein eigener Raum gewidmet. In einer Black Box werden mittels eines audiovisuellen Vortrags die Formen des Musikeinsatzes bei Kubrick erläutert. Erstellt wird er von dem Komponisten Bernd Schultheis, der das Thema auch im Ausstellungskatalog behandelt.

2. Objekt des Monats

Alex de Large ist besessen von Musik - ganz besonders von der einen: "Ludwig van". Einmal sieht man ihn in einem dandyhaften Kostüm durch einen bunten Plattenladen schlendern, in dem Kubrick kokett auch den Soundtrack von 2001: A SPACE ODYSSEY platziert hat. Zuhause legt er ein kleines Tape mit der Neunten Symphonie ein; Teil seiner futuristischen Zimmereinrichtung ist auch ein sehr spezieller Plattenspieler, der am Ende des Films wieder auftaucht (wenn Alex am Krankenhausbett in die Arme des Staates aufgenommen und vom Innenminister mit Blumen und Beethovenklängen überrascht wird). Das Modell "Hydraulic Reference" wurde 1964 von David Gammon entwickelt, der 1971 dafür den Preis des London Design Center erhielt; ein Exemplar befindet sich heute im Besitz des New Yorker Museum of Modern Art. Vertrieben wurde das Modell von Transcriptors und später unter dem Label von John Michell (der auch einige der Raumfahrtmodelle für 2001: A SPACE ODYSSEY entworfen hat). In der Vorbereitungszeit von A CLOCKWORK ORANGE hatte Kubrick David Gammon in seiner Fabrik in Borehamwood besucht und einen "Hydraulic Reference" als Geschenk erhalten. Sein Sohn Michael Gammon wird freundlicherweise ein Exemplar als Leihgabe zur Ausstellung beisteuern.

3. Kurzportrait

Der unverwechselbare Soundtrack zu A CLOCKWORK ORANGE stammt von ¬ Wendy Carlos - einer Pionierin der elektronischen Musik. 1939 geboren, beherrschte sie mit sechs Jahren das Spinett; nach der Schule begann sie in Rhode Island zunächst ein Physikstudium, wechselte dann aber zum Hauptfach Musik. Die Kombination der beiden Fächer prädestinierte sie für Experimente mit synthetischen Klängen. 1963 traf sie mit Robert Moog zusammen, der den analogen Synthesizer erfand. Gemeinsam entwickelten sie den "Moog III", auf dem Wendy Carlos ihr epochales Werk Switched on Bach einspielte, die erste komplett elektronische Adaption von klassischer Musik. Es folgten die Platten The Well-Tempered Synthesizer und A Clockwork Orange; für Kubrick komponierte sie außerdem noch Musik zu THE SHINING.

Mehr Infos zu Wendy Carlos: ¬ www.wendycarlos.com

4. Tipps und Termine

Im Rahmen der 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin findet am 9. Februar in der Hessischen Landesvertretung ein Empfang des Deutschen Filmmuseums und des Deutschen Architektur Museums statt. Dabei wird es in Anwesenheit von Jan Harlan und Staatsminister Udo Corts (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst) für geladene Gäste einen Vorgeschmack auf die Ausstellung geben.

Surftipp des Monats: ¬ www.malcolmmcdowell.net. Auf der Website des Schauspielers dreht sich (fast) alles um A CLOCKWORK ORANGE. Neben einer Anleitung zur Zusammenstellung von Alex' Kostüm und einem Nadsat-Wörterbuch bietet die Seite unzählige weitere Navigationspunkte rund um den Film wie "Articles", "Book History", "Media Mentions", "Pop Culture", "Props" oder "X- versus R-rated Versions". Auch Stanley Kubricks Gesamtwerk sind einige Rubriken gewidmet - neben Texten und Interviews findet sich hier eine kleine Übersicht zu Kubrick-Zitaten und -Parodien in Filmen und Fernsehserien, vor allem natürlich The Simpsons.





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